„Das Leiden haben wir doch schon überwunden,“ mahnt meine Füllfeder.
„Wir frönten den Genüssen, bis wir sie alle in ihrer Wirkung erforscht
haben, wir exerzierten die Liebe, bis sie uns zu Höhepunkten und
Enttäuschungen geführt hat, und auch der Musik konnten wir einige
Statements abringen, bis sie im Dilemma der Seichtheit versunken ist.
Wir sind
hier, frei und geschunden, vor allen offenen Toren – vor Menschen, die
unsere Freunde sein könnten, vor Existenzen, die unsere Erfüllung sein
könnten, vor Landschaften, die unser Zuhause sein könnten, vor Worten,
die unsere Geschichten sein könnten. Du zitterst und sehnst dich nach
dem einen, wahren, ursprünglichen Wesen, und vielleicht hast du es nie
gekannt, doch die Hoffnung, dass wir es eines Tages gemeinsam entdecken
werden, treibt uns weiter und lässt uns glauben. So gesehen müssen wir
unsere Stärke bewundern!“
(aus: "Gespräch mit meiner
Füllfeder", ausgezeichnet mit dem Anerkennungspreis des Österreichischen
Schriftstellerverbandes 2010)
Paul Auer ist geboren & aufgewachsen in Kärnten, Matura, Zivildienst,
Weltreise, seit dem Jahr 2000 in Wien; seither ein halbes Studium der
Ethnologie & zwei ganze Romane, Kurzprosa und zahlreiche Lieder,
verschiedene Jobs, verschiedene Reisen, viel dazwischen und eine
E-Mail-Adresse: paulauer@gmx.at.
Für mich ist Literatur etwas sehr Politisches. Weil sie das Wirken
sozialer, kultureller, medialer, ökonomischer Zustände auf das scheinbar
Private veranschaulichen kann (die besten Beispiele, für mich
zumindest: „Der Mann ohne Eigenschaften“ und „Berlin, Alexanderplatz“);
im Gegensatz zum der Objektivität verpflichteten Journalismus mit
stilistischen Mitteln, die auch das Irrationale, Absurde und Hässliche
im Menschen berücksichtigen und dadurch eine emotionale Bande zum Leser /
der Leserin ermöglichen. Weswegen ich auch überzeugt bin, dass
Literatur sehr wohl eine Veränderung bewirken kann: des Blickes auf das
Leben anderer, des Zuganges zum eigenen; wenn auch klein, so nicht
unbedeutend. Ich schreibe also, um menschliche und politische Zustände
zu verdichten und begreifbar zu machen. Weil ich es als Aufgabe und
Privileg eines Schriftstellers sehe, darzustellen, was andere nicht in
Worte fassen können; Bestandsaufnahmen der Wirklichkeit zu machen und
dabei in fremde, absurde, wilde, gefährliche und natürlich wunderschöne
Welten einzutauchen. Dass das Schreiben dadurch auch stets eine
Bestandsaufnahme der eigenen Position und das Entwickeln eigener Utopien
ist, versteht sich von selbst.
Ob "Leben" und "Schreiben" miteinander kompatibel sind, ist eine gern
gestellte Frage unter Schriftstellern und Beobachtern des
Literaturbetriebs. Man sollte sie nicht überbewerten, aber ihren
möglichen Erkenntnisgewinn auch nicht unterschätzen. Viele
Herangehensweisen sind möglich. In jedem Fall erscheint es sinnvoll,
"Leben" in diesem Zusammenhang konkret zu definieren. Angenommen, es
handle sich hierbei nicht um ein Synonym für das Eintauchen in möglichst
abwechslungsreiche emotionale Zustände, sondern um die Bezeichnung
eines sozialversicherungstechnisch erträglichen Zustandes. Dann, muss
ich zu diesem Zeitpunkt zugeben, ist "Leben" und "Schreiben" schwer bis
gar nicht miteinander zu vereinbaren. Zumindest dann nicht, wenn man
mehr als einige Zeilen verwertbarer Ideen zu Papier bringen will. Wie
man eine Erzählung, einen Roman verfassen will und dabei gleichzeitig
einer Lohnarbeit nachgehen, ohne die eigene Gesundheit aufs Spiel zu
setzen - Kafka machte das, er starb auch jung - ist mir ein Rätsel. Aber
abgesehen vom schwindenden physischen Energielevel bemerke ich auch,
dass eine längere Geschichte auch ein längeres, ausschließliches
Verweilen in ihrem Kosmos verlangt, das nicht durch die Banalitäten der
realen Welt unterbrochen werden darf. Insofern: Stipendien sind nicht
nur eine gute, sie sind eine notwendige Sache, ist die Gesellschaft auch
in Zukunft an guter Literatur interessiert.
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